Kapitel 11.01: Grundlagen und Begriffe der Verhaltensforschung

 

Endlich eine freie Wohnung :-)

Verhaltensbeobachtungen

Zum Einstieg in das neue Thema betrachte einmal die folgende Bilderserie und versuche das Verhalten mit jeweils einem prägnanten Wort zu beschreiben:

 

putzige weiße Maus

 

Verhalten

Verhalten umfasst alle an einem lebendigen Tier oder Menschen beobachtbaren Bewegungen, Stellungen, Farb- und Formänderungen, Lautäußerungen sowie die Abgabe von in Drüsen erzeugten und anderen Produkten.

 

Untersuchung von Verhalten durch das Ethogramm

Beobachtung und Beschreibung von Tieren und Menschen. Die Aufzeichnung kann schriftlich, oder mit Hilfe von Film oder Tonaufzeichnungen
Am besten sind dabei Freilandbeobachtungen, da Zootiere zum Teil kein natürliches Verhalten zeigen.

Arbeitsschritte:
    1. Formulierung einer Fragestellung (evtl. Problemfrage). Die Frage sollte durch die Beobachtung klärbar sein!
    2. Detailplanung der Beobachtungssituation (Planung, Material, Ort, welche Tiere usw.)
    3. Durchführung der Beobachtung
    4. Aufnahme der Beobachtungsdaten
    5. Auswertung der Beobachtungsdaten (inkl. Beantwortung der Eingangsfrage sowie kritische Fehlerbetrachtung bezüglich Messgenauigkeit und realer Aussagekraft)

 

Wirkfaktoren des Verhaltens:

  • Innenfaktoren
  • Außenfaktoren
  • liegt ererbtes oder erlerntes Verhalten vor?
  • Einfluss der Umwelt
  • Verhaltensentwicklung
  • Nervensystem
  • Hormonsystem

Verhalten von Tieren kann hierarchisiert werden:

Verhaltenselement -> Verhaltensweise -> Verhaltensmuster -> Funktionskreis -> Ethogramm

 

Beispiele für Funktionskreise der Verhaltensbiologie:

- Beutefang

- Feindabwehr (Tarnung, Täuschung)

- Aggressionsverhalten

- Körperpflege

- Territorial- und Revierverhalten

- Fortbewegung

- stoffwechselbedingtes Verhalten:

  • Nahrungserwerb

  • Nahrungsaufnahme

  • Nahrungsspeicherung

  • Ausscheidungen

  • Ruhen, Schlafen

- Paarungsverhalten und Sexualverhalten

  • Balzverhalten

  • Kopulation

  • Paarverhalten

  • Brutpflege

- Schutz- und Verteidigungsverhalten

- Sozial- und Kommunikationsverhalten

- Neugier- und Spielverhalten

- u.v.m.

 

Aufgaben:

1. Kannst Du das Verhalten auf den Bildern den Funktionskreisen zuordnen?

2. Beschreibe den Funktionskreis „Brutpflege“ beim Storch (siehe dazu Bilder der nächsten Seite).

 

Brutpflegeverhalten bei Störchen

 Brutpflegeverhalten bei Klapperstörchen

Brutpflegeverhalten bei Klapperstörchen

 Brutpflegeverhalten bei Klapperstörchen

Was ist Verhalten? - Fragen der Verhaltensforschung

Weißt Du, warum Vögel im Frühjahr besonders laut singen? Durch Vermutungen und Beobachtungen gelingt es uns, oft eine plausible Erklärung für Verhalten zu finden. Doch was genau ist dieses „Verhalten“ eigentlich?

 

Betrachte das Bild & treffe eine Aussage über die Bedeutung der Verhaltensweise der Möwe:

Als Verhalten bezeichnet man alles, was ein Lebewesen macht. Es besteht aus angeborenen und erlernten Anteilen. Es gibt allerdings Verhaltensweisen, die praktisch nur aus angeborenen Kenntnissen und Fähigkeiten bestehen - diese findet man vor allem bei wirbellosen Tieren. Bei Wirbeltieren kommen erlernte Verhaltensweisen hinzu. Ausschließlich erlerntes Verhalten gibt es dagegen nicht.

Immelmann (1976): Unter Verhalten versteht man die beobachtbaren Bewegungen, Körperstellungen und Lautäußerungen eines Tieres oder Menschen, so wie alle feststellbaren Veränderungen an deren Körper z.B. Farbveränderungen, die der Kommunikation dienen.

 

Beachte: Genau genommen können Tiere und Menschen sich nicht nicht verhalten! (Ausnahmen sind Koma und Tod!)

 

Lässt sich auch bei Pflanzen ein Verhalten beobachten?

Nein, denn Pflanzen fehlen die für das Verhalten verantwortlichen Organe (wie Sinnesorgane, Nervensystem, Gehirn, Muskulatur usw.). Verhalten wird deshalb nur bei Tieren und Menschen erforscht.

 

Bereiche der Verhaltensbiologie

1. Klassische Ethologie (LORENZ & TINBERGEN)

Schwerpunkt in Europa

- Untersuchung v.a.des angeborenen Verhalten
- Untersuchung von Verhaltensweisen, deren Auslösbarkeit stark von inneren Bedingungen (Motivation) abhängig ist

- Versuche in natürlichen und artgerechten Umgebungen
- proximate & ultimative Ursachen
- beschreibt & vergleicht
- Wurzeln in der Anatomie- & Evolutionsforschung

2. Behaviorismus (PAWLOW, SKINNER)

- Schwerpunkt in Amerika
- untersucht Verhaltensweisen, welche v.a. auf Lernvorgängen beruhen
Versuche in der Regel in unnatürlicher Umgebung (Labor)
- beschreibt den Zusammenhang zwischen beobachtbarem Verhalten und Umweltreizen
=> Verhalten gilt für Behavioristen als erlernte Reaktion auf Umwelt, innere Prozesse werden dabei ausgeklammert!

Hat starken Einfluss auf Psychologie und Pädagogik gehabt!

 

3. Neuroethologie (HESS, FRISCH, HOLST)

- Verhaltensphysiollogie: Auf welchen neurobiologischen Mechanismen und Strkturen beruht Verhalten?

- Einfluss des Nervensystems auf das Verhalten.

Methoden:
z.B. Gehirnmanipulation
=> Bezug zur Neurobiologie & Sinnes­physiologie

 

4. Soziobiologie (WILSON)

- soziales Verhalten wird untersucht
- Welches sind die evolutiven Ursachen sozialer Verhaltensweisen

 

5. Evolutionsbiologie (DARWIN)

- Darwin beschrieb „die Theorie der natürlichen Auslese“
=> Grundlage für Betrachtung von Verhalten nach evolutiven Aspekten

 

Verhaltensforschung

Wie kann man aber nun Verhalten erforschen? Welche Verhaltensweisen kann man überhaupt nur erforschen?

Zwei Wege der Verhaltensforschung:

  1. Subjektive Verhaltensforschung durch Introspektion („in-sich-Hineinschauen“)
    - z.B. Stier greift „wütend“ an.
    - menschliche Gefühlsempfindungen werden auf die der Tiere übertragen.
    => nur in der Humanpsychologie gerechtfertigt

  2. Objektive Verhaltensforschung durch Fremdbeobachtung
    -
    Beobachten ohne Hineininterpretation aus eigener Sicht


Im 20. Jh. gab es zuerst zwei Hauptrichtungen:

  • Die amerikanische Schule: Behaviourismus
    Vertreter: v.a. Watson, Skinner
    Kennzeichen: Sie führten nur Laborversuche an Tieren durch. Dabei stand vor allem das „erlernte“ Verhalten im Mittelpunkt => Andressieren von Verhalten).

  • Die europäische Schule: Ethologie (= Lehre von den Lebensgewohnheiten)
    Vertreter: Konrad Lorenz, Niko Tinbergen, etc.
    Kennzeichen: Freilandversuche an Tieren in ihrer natürlichen Umgebung,
    angeborenes Verhalten wurde untersucht.

  •  Als Drittes kam dann ab den 1970er Jahren der Kognitivismus hinzu.

 

Beide ursprünglichen Hauptrichtungen versuchten auch ihre an Tieren gewonnenen Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen. So sind die Behaviouristen der Meinung, dass der Mensch jedes Verhalten erlernen kann („gebt mir 20 Kinder und ich zeige Euch, dass ich vom Bettler bis zum Millionär alles aus ihnen formen kann“).

Die europäischen (klassischen) Ethologen gingen hingegen von einer starken angeborenen Komponente des Verhaltens aus - wenn z.B. eine Person zu viel Frust im Berufsalltag abbekommt, dann muss sie unweigerlich „ausflippen“, da ihr dies angeboren ist - eine Willenskontrolle spielte bei diesen Betrachtungen anfangs nur eine untergeordnete Rolle.

Die Komplexität des menschlichen Verhaltens wurde von beiden Richtungen unterschätzt! Erst der Kognitivismus nahm sich dieser Komplexität an.

 

Zusatzinformationen:

Beachte: Ethologie ist die Verhaltensforschung - Ethnologie bezeichnet das Fach der Völkerkunde!

http://de.wikipedia.org/wiki/Ethologie

http://de.wikipedia.org/wiki/Ethnologie

 

Proximate Ursachen von Verhalten

 

Proximate Ursachen erklären u.a., wie ein Reiz eine Verhaltensweise hervorruft und welche physiologischen Reaktionen sich dahinter verbergen. Es sind direkte und unmittelbare Reize und Faktoren, die als Ursache für ein Verhalten vorliegen.

Solche Ursachen können Hunger, Gerüche (Pheromone), Laute, ein buntes Gefieder, generell Schlüsselreize usw. sein.


Proximate Fragestellung über die direkten und unmittelbaren Reize:

    • Wie kann Verhalten entstehen? Welche inneren und äußeren Ursachen liegen vor
    • Physiologische Ursachen/ Mechanismen
    • Genetische Grundlage?
    • Umwelteinflüsse? Reize?

=> Typische Fragen/ Fragestellungen: Wie? Warum?

Vorwiegende Forschungsrichtungen:

    • Neurophysiologie
    • Neuroethologie
    • Verhaltensphysiologie
      

 

Ultimative Ursachen von Verhalten


Ultimate Ursachen beantworten die Frage nach dem (sexuellen) Selektionsvorteil des Verhalten und dem Überleben der Art. Gemessen wird der Fortpflanzungserfolg von einzelnen Individuen bzw. Tiergruppen.


Ultimate Fragestellung über die direkten und unmittelbaren Reize:

    • Welche Vorteile bringt Verhalten für die eigene Fitness (= Evolutionsvorteile)?
    • Welche positiven Folgen hat eine evolutive Anpassung (= Anpassungswert)? 
    • Wie steigert diese den Überlebenswert und somit die Anzahl an Nachkommen?
    • Funktion
      
Typische Fragen/ Fragestellungen: Weshalb? Warum? Wozu?

Vorwiegende Forschungsrichtungen:

    • Soziobiologie
    • Verhaltensökologie

 

Damit verbunden ist immer die Frage nach der (direkten) Fitness, welche ein Maß für die Fähigkeit eines Individuums ist, seine Gene in die Folgegeneration weiterzugeben. Man spricht bei (direkter) Fitness auch vom Gesamtfortpflanzungserfolg.

Vorgehensweise bei der Erforschung des Verhaltens

Erstellung eines Ethogramms (= Verhaltenskatalog)

  • Funktionskreise (Körperpflege, Brutpflege)
  • Verhaltensweise (Gefiederpflege, Anschleichen)
  • Verhaltenselemente (einzelne Vorgänge)

Bsp.: Fluchtverhalten => sich ducken / sich verstecken / Fluchtschwimmen

 

Fragen und Aufgaben eines Verhaltensforschers bei der Untersuchung

  • Welche Verhaltensweise (VW) zeigt ein Tier?
  • Wozu dient ein Verhalten?
  • Wie wird es ausgelöst?
  • Ist ein Verhalten angeboren oder erlernt?

 

Zusatzinformationen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ethogramm

 

Wissenschaftszweige der Verhaltensbiologie

Forschungsdisziplin

Fragestellungen der Forschung

Methoden

Ethologie

Welche Funktion hat ein Verhalten?

Welche Ursache hat es?

Welcher Reiz löst es aus?

Ist das Verhalten angeboren oder erlernt?

Beobachtung und genaues Studium des Tieres.

Psychologie

Welche Bewusstseinsinhalte spielen eine Rolle?

Welche Motive lösen ein Verhalten aus?

- Beobachtung des Tieres oder des Menschen
- Befragung
- Introspektion

Neurophysiologie

Welche anatomischen Strukturen und Mechanismen der Informationsverarbeitung liegen einem Verhalten zugrunde?

Medizinisch-Anatomische, elektro-physiologische und
biochemische Untersuchungsmethoden.

Kybernetik

Welche Prinzipien der Regelung und Steuerung sind für ein bestimmtes Verhalten notwendig?

Mathematische Analysen von Verhalten

 

Aufgaben:

1. Beschreibe einmal das Verhalten eines Tieres (z.B. deines Haustieres) in der Form, wie es ein Ethologe tun wurde. Beobachte das Tier dazu ca. 10-15 min. und mache Dir Notizen. Anschließend versuche das Verhalten zu analysieren.

2. Versuche nun (durch Introspektion) mal Dein Verhalten selbst zu analysieren. Besonders geeignet sind „besondere“ Situationen: Referate, Aufregung, ein Date, unvorhergesehene Situationen, eine Klausur usw.

Probleme?

 Wir sehen uns ;-)

 

Wir benutzen Cookies
Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Ihre personenbezogenen Daten/ Cookies werden zur Personalisierung von Anzeigen verwendet. Einige Cookies sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten.